Samstag, 22. Januar 2011

Hohlwort des Jahres



Ost-Ennerich (VSE)
21. 1. 2011- Fr

Aha, nun ist das Unwort des Jahres 2010
endlich raus und bekannt gemacht worden; dachte schon fast, diese Rubrik verpaßt zu haben, da ich dem Fernsehen, für gewöhnlich abfällig Glotze genannt, schon längst abhold geworden bin und aktuelle Zeitungen nur dann zur Kenntnis nehme (bis auf eine Ausnahme), wenn ich mal ins Café gehe.

Aber halt nicht täglich,
wie früher einmal fast die Regel, denn auch das Hardenberg hat nachgelassen. Klar, früher war alles besser, mit gebundener Rede und gepflegten Manieren etc. zumindest von heute aus gesehen.

Alternativlos hat also das Rennen gemacht.
Hat das nicht die Kanzlerin gesagt irgendwelche Rettungsschirme betreffend ? Klingt ganz apodiktisch oder mit anderen Worten - die Lage war noch nie so ernst und wir hatten keine andere Wahl. Und daher erübrigen sich jedwede Nachfragen.

Sicher, schon ein wenig kurios die Vokabel,
man kann damit schön von oben herab den anderen über den Mund fahren; und so wurde das Wörtchen seitdem von kritischen Zeitgenossen auch oft und gern in diversen Zusammenhängen ironisch verwendet - aber taugt dieses adjektivische Derivat, das da mit Minusprädikat als Anhängsel an ein altehrwürdiges Trendwort kreiert wurde, wirklich zum Unwort des Jahres ?

Echt ein Armutszeugnis
für diese gutbezahlte Institution, die da tagein tagaus beim Kaffeetrinken anhand gedruckter Periodika die Sprache beobachten, durchforsten und beackern und noch nicht einmal ein wirklich überzeugendes Unwort zustande bringen.

Da war ein ehemaliger Kollege -
ja, lang ist’s her - mit Kostheimer Schlappmaul von ganz anderem Kaliber. Der hätte diesen fahlen Schreibtischtypen innerhalb einer Stunde 10 Unwörter locker im Gespräch raushauen können, daß die philologischen Schattengewächse gar noch in Lachen ausgebrochen wären. (Eher als nit.)

Wenn ich mir da
nur einmal vergegenwärtige, wie dieser Reiner über bestimmte Typen und Gruppen abgelästert hat ! Echt Wahnsinn, einfach köstlich, aber ziemlich böse.

Angepaßte Typen wurden
bei Nichtanwesenheit als diese Schleimspur tituliert, die Alten kamen auch nicht gut weck, da sie bei ihm unter Friedhofsaspiranten, die mit dem AOK-Chopper unterwegs waren, firmierten.

Wenn der in Fahrt war,
konnte er so richtig loslegen und treffliche Beispiele hatte er zur Genüge; besonders beliebt war bei ihm als Beispiel das Faible mancher alter Frauen für Klosterfrau Melissengeist, eine hochwirksame Medizin, weil hochprozentig.

Von daher gesehen weiß ich nun
nicht so recht, was an ‘alternativlos’ nun so unwortig sein soll, daß es für diese Kategorie denn ausgewählt wurde.

Denn unter Unwort
stelle ich mir mehr ein mißverständliches oder inkriminiertes Wort vor, das man besser für sich behält und nicht sagt, weil usw. es verletzend, diskriminierend, verächtlich, rassistisch blabla ist wie das K-Wort eben.
Aber genau diese Bodenhaftung
scheint dieser Institution und den dasigen Institutionshengsten (und -stuten) zu fehlen, da sie nicht dem Volk aufs Maul schauen und mit ihm Konversation pflegen und stattdessen nur nach Gedruckten gieren. Nur leider erscheinen diese sprachlichen Äußerungen noch immer im Hauptstrom fast durchgängig polkoristisch bereinigt.

Kein Wunder,
daß es ihnen dann sichtlich schwerfällt, ein veritables Unwort zu küren. Da es nun schon diese beiden Kategorien gibt, Wort und Unwort des Jahres, was spricht eigentlich dagegen zusätzlich noch eine neue aufzumachen ?

Und zwar denke ich da
an das Hohlwort des Jahres. Vielleicht gelingt es ja noch im Verlauf des Februars ein solches zu küren ?! Am besten einmal Vorschläge einreichen.

Meine favorisierten hohlen Wörter
wären übrigens Integration und dann als Alternative Toleranz.

Also nicht bloß nur lesen,
sondern auch mitmachen, ihr Stummfische.




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#/ 96. \#

omnes qui in umbra philosophamur,
nec aliquando ad res gerendis accedimus,
quod scimus nescimus.

Alle, die wir im Schatten philosophieren
und nicht zuweilen uns zum Handeln bequemen,
wissen nicht, was wir wissen


Ulrich von Hutten
".


Wenn das Hohlwort
quasi so etwas wie ein Endzustand ist - vergleichbar den braunen Zwergen, astronomisch gesehen, so gehen dieser Entwicklung die Phase der strapazierten Begriffe voraus, die in den Roten Riesen ihre stellare Entsprechung hätten …



... Musikspur: Siehe - Überstürzende Himmel / Rilke-Projekt (Schönherz + Fleer) …

1 Kommentar:

  1. Wer alternativlos daherredet, ist zu faul zu denken. Denn Denken beinhaltet auch nach Alternativen Ausschau halten.

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