Montag, 17. August 2009

Wehret den Anfängern

Ost-Ennerich (VSE)
17. 8. 09 - Mondtag

Der Kampf gegen Rechts sollte durch den Kampf gegen Oben sowie den Kampf gegen Hinten verstärkt bzw. ergänzt werden, um wie es so schön heißt den Anfängen zu wehren. … Aber was ist denn das für ein Deutsch ? Seit wann gibt es denn Anfang im Plural ? Anfang und Ende gibt es ja immer nur einmal; obwohl ein Fluß nährt sich aus vielen Quellen und Quellgründen und hat damit auch viele Anfänge (die aber keinesfalls so genannt werden). Aber vielleicht hat man im Eifer des Geschäfts, äh natürlich des Gefechts nur ein klitzekleines ‚r‘ vergessen ? Dann würde es sogar Sinn machen - Wehret den Anfängern ! Richtig, das könnte ich unterschreiben. Den Anfängern wehren, jenen Leuten also, die von nüscht ne Ahnung haben und noch, wie man sagt, grün sind, vor allem hinter den Ohren, konkret gesprochen den Anfängern in der Politik. Dort und auch sonst an entscheidenden Stellen haben Anfänger rein gar nichts zu suchen. Warum brauch ich wohl nicht zu erklären. Nur so viel vielleicht, es ist bekannt und der Ausdruck weist darauf hin, daß Anfänger fürs erste noch viel lernen müssen. Da sie ihr ‚Geschäft‘ noch nicht können und ebenfalls nicht über Überblick und Erfahrung verfügen, machen sie leicht Fehler, die unversehens andere in Mitleidenschaft ziehen können; auch wenn sie das in ihrer Euphorie nicht wahrhaben wollen. Die sollten lieber zuhören und sich anlernen lassen, als schon vor der Zeit zu laut zu krähen und sich dicke tun und mit lauter, schon etwas nervtötender Stimme sich Gehör verschaffen.
Wehret daher den Anfängern in der Politik, denn dort sind wirklich Meister gefragt; und an solchem Platz haben Lehrlinge und Amateure nichts zu suchen, sintemal sie (noch) im gleichen Maße idiologiegetränkt sind wie lebensunerfahren.

Der August-Spruch aus den KALENDER-SPRÜCHEN 2009 von Eo kommt ziemlich herbe daher und ist einer der beliebtesten Zeitgeistvokabeln dieser Zeit gewidmet, mit der viel Schindluder getrieben wird und die immer mehr Leute sichtlich, sobald sie in Reden auf diese niederprasselt, zu nerven beginnt. Dies tolle Wort mit Namen Toleranz, (von mir seit einiger Zeit immer öfter mit Doppel-L geschrieben) sollte kurz nach der Wende in Berlin sogar einen Straßennamen zieren und war als Toleranzstraße statt der (wiederzurückbenannten) Danziger Straße im Gespräch, wenn ich mich nicht irre. Als dann einige sprachkundige Leute die Berliner darüber aufklärten, wie dieser Straßenname zB. bei den Franzosen ankäme, die ja unter einer 'rue de la tolerance' etwas ganz anderes, weil rotlichtiges verstehen, mußten doch viele lachen und der alberne Vorschlag war vom Tisch.


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≠ 23. ‡
Zu oft und allzu heftig eingeforderte Toleranz
wird schnell tolleranzig






…Musikspur: Ich han nach lieben vrüenden … (Estampie / Crusaders)…

Mittwoch, 12. August 2009

. . .Geisterstunde. . . .

Ost-Ennerich (VSE)
12. 8. 09 - Miretwoch

Der Tag ist so lang , wie er kurz ist. Denk ich manchmal, wenn die letzte Stunde angebrochen ist und es stramm auf Mitternacht zugeht. Also wieder eine Erdumdrehung weiter und eine Aufphase beendet, die schon längst in die Abphase eingemündet ist. Der kosmische Rhythmus eben, der uns immerzu wiegt und der von Anfang an das Leben getaktet hat. Wie auch in Gang hält. Aber noch bin ich nicht müde, die Nacht mit ihrer abgeschiedenen Schwärze ringsum ist ein ungeheurer Kontinent, so unüberschaubar grenzenlos wie die Fantasie, die Schummerlicht, Versenkung und magische Räume liebt, wenn nicht braucht, um sich entfalten zu können und der Erdenschwere des Alltags mit ihren bedrohlichen Verwerfungen für eine Weile zu entfliehen. Jaja, ich weiß, die Fantasie ist immer der Ort, der vor allem dann aufgesucht wird, wenn die reale Wirklichkeit einfach soviel zu wünschen übrig läßt Aber nicht nur, denn Fantasie heißt immer auch nach Alternativen Ausschau halten, sich von Ideen kitzeln lassen und neuen, womöglich unerhörten, ja gefährlichen Gedanken sein Ohr leihen. Denn nicht bloß der kosmische Rhythmus, die tagtägliche Abfolge von Hell und Dunkel, bestimmt und strukturiert unser Leben, ebenso tun es die Ideen und Lichtblicke, die plötzlich zufließen oder unversehens aufflammen.
---Folgsetzung fort---

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↓ 22. ↓

Es ist zuweilen so,
als ob ganze Generationen
mit Blindheit geschlagen wären;
indem sie miteinander streiten, bahnen sie
dem gemeinschaftlichen Feinde den Weg.
Leopold von Ranke, Französische Geschichte

….Musikspur: Rammstein - Engellied…..

Dienstag, 4. August 2009

montaigne-mäßig

Ost-Ennerich (VSE)
3. 8. 09 Mo

Ein Turm wie Montaigne, das wäre schön; das hat mir den französischen Selberdenker aus dem 16. Jahrhundert, zur Zeit der ersten ‘Globalisierung’ und um sich greifenden Medienrevolution gleich sympathisch gemacht. Und dann natürlich was er schrieb und vor allem wie er schrieb, wie er die Gedanken aneinanderfügte, mit alten lateinischen Zitaten würzte und dabei immer einen interessanten Bogen spannte. Eine Annäherung an ein Thema, eingestandenermaßen subjektiv und damit spontan und originell, aber keinesfalls systematisch und erst nicht umfassend, halt mehr ein Versuch aus der Stimmung heraus, wie es sich in besonderen, dicht gepackten Momenten gelegentlich ergibt. Der Ansatz imponierte mir gleich - mit der eigenen Sicht der Dinge herausrücken auf eine unterhaltsame und dabei lehrreiche Art (da könnte man montaigne-mäßig Horaz zitieren - delectare et prodesse) und gleich hinterherschicken, daß die Erkenntnis nicht unbedingt für alle und zudem nicht für alle Zeit gelten müsse. Eine gesunde Haltung wie auch ein geschickter Schachzug, denn wie kann man anders den Dogmatikern Paroli bieten ? Nur indem man sie herausfordert und klar zu verstehen gibt, daß man ihren Anspruch auf Wahrheit und Geltungshoheit für die eigenen Gedanken und Schriften erst gar nicht anstrebt und sie deshalb in provokativer Bescheidenheit schlicht Essais, also auf deutsch Versuche nennt. Aber lassen wir den Meister aus dem 16. Jahrhundert doch selbst zu Wort kommen.

AN DEN LESER

Dies hier ist ein aufrichtiges Buch, Leser. Es warnt dich schon beim Eintritt, daß ich mir darin kein anderes Ende vorgesetzt habe als ein häusliches und privates. Ich habe darin gar keine Achtung auf deinen Nutzen noch auf meinen Ruhm genommen. Meine Kräfte sind eines solchen Vorsatzes nicht fähig. Ich habe es dem persönlichen Gebrauch meiner Angehörigen und Freunde gewidmet, auf daß sie, wenn sie mich verloren haben (was ihnen recht bald widerfahren wird), darin einige Züge meiner Lebensart und meiner Gemütsstimmungen wiederfinden und durch dieses Mittel die Kenntnis, die sie von mir hatten, völliger und lebendiger erhalten können. Hätte es mir gegolten, die Gunst der Welt zu suchen, so hätte ich mich besser herausgeputzt und würde mich in zurechtgelegter Haltung vorstellen. Ich will, daß man mich darin in meiner schlichten, natürlichen und gewöhnlichen Art sehe, ohne Gesuchtheit und Geziertheit: denn ich bin es, den ich darstelle. Meine Fehler wird man hier finden, so wie sie sind, und mein unbefangenes Wesen, soweit es nur die öffentliche Schicklichkeit erlaubt hat. Und hätte ich mich unter jenen Völkern befunden, von denen man sagt, daß sie noch unter der sanften Freiheit der ersten Naturgesetze leben, so versichere ich dir, daß ich mich darin sehr gern ganz und gar abgebildet hätte, und splitternackt. So bin ich selber, Leser, der einzige Inhalt meines Buches; es ist nicht billig, daß du deine Muße auf einen so eitlen und geringfügigen Gegenstand verwendest.
Mit Gott denn, zu Montaigne, am ersten März 1580.

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∞ 21. ∞

Dumm aber nenn ich das Land,
das sich von anderen vorschreiben läßt,
wie es zu sein habe.
Und wer noch etwas anderes
lesen möchte,
hier der letzte Beitrag
aus: eos-o-ton

Musikspur: J. S. Bach - Air