Dienstag, 23. Februar 2010

aufs falsche Gleis gesetzt

Ost-Ennerich (VSE)
22. 2. 2010, Di


Wir leben trotz eines anhaltenden, über Monate fast durchgängig frostigen Winters nicht in einer Eiszeit; die innerstädtischen ‘Gletscher’ dh. die ausgedehnten Vereisungszonen, sind nun wieder am Tauen und lassen überall Endmoränen, also unansehnliche Geröllhaufen aus Granulat und häßlich wieder zutagetretenden Silvestermüll zurück. Viel eher leben wir, wie ich des öfteren den Eindruck habe, dagegen in einer Scheißzeit. Denn die größte Kacke wird dieser Tage nur zu gerne öffentlich prämiert und damit quasi als Vorbild ausgegeben; und von all den Unbedarften aufgesogen und von den Jungen bereitwillig nachgeahmt. Systematisch aufs falsche Gleis gesetzt durch die Ästhetik des Häßlichen und der Rotzigkeit und angelockt von falschen Versprechungen landen sie schon früh im Lager der Durchtriebenen, der Schelme und Zyniker, der Ego-Trickser also, die allesamt vor allem eine Haltung verbindet (und verbündet), nämlich mit windigen Sachen, grob gesprochen mit irgendeiner Idiotie, mit stupider Jelänger-jelieber-Kunst oder mit ausgeklügelten Provokationen und anderen Geschmacklosigkeiten (aus bzw. als Prinzip) in den Fokus zu kommen und dann wie im Märchen steil nach oben getragen zu werden. Die Sehnsucht nach Ruhm, die heute zu einer reinen Publicity-Sucht (verbunden mit prall gefüllten Bankkonto) mutiert ist, wirkt bei allen als Treibgas, pardon als die eigentliche Triebkraft.


--Ff--- (= der Beitrag wird fortgesetzt)


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Der Spruch heute stammt aus der Rubrik
Geschichten in einem Satz


₪ 44. ₪

Die schlechte Gesellschaft, sagte er,
habe er in Bad Kampeny kennengelernt.


Und wer sich mal in den Apho-Blogg vertiefen will, wird etwas spannendes finden. Paßt zu hier, liegt aber schon ein wenung zurück.

...Musikspur: Lionard Cohen - Passing through / Live Songs...





Schreibkurse im LI-LA Literatur-Laden

Dienstag, 16. Februar 2010

mit eim Klick


Ost-Ennerich (VSE)
15. 2. 2010, Mo


Das Inet ist salopp gesagt schon eine irre Sache, und das positiv gemeint; kann jedoch auch ins schiere Gegenteil umschlagen, aber wem sage ich das. Es ist als ob sich urplötzlich mit dem Internet ein neuer Kontinent aufgetan hätte, der mit einfachen Mitteln und ohne groß mutig sein zu müssen, befahren werden kann; und aufs Geradewohl zu wundersamen Entdeckungen einlädt. Nicht bloß hinter jeder Biegung, nein hinter jedem Stein und sei er noch so klein, verbirgt bzw. öffnet sich eine neue Welt, die zum Eintreten und Verweilen animiert. Mit eim Klick landet man in der subjektiven Welt ihres Schöpfers, also ihres digitalen Creators, der seine Welt, besser seine Sicht der Dinge, sein Anliegen, seine Botschaft und was ihn sonst noch so beschäftigt und umtreibt allen, die es hören und sehen möchten, auf seiner Seit kund tun will; und wenn das nicht der Fall ist, dann weil er aus kommerziellen Interesse sein jeweiliges Angebot und seine speziellen Kompetenzen offeriert. Wenn ich dann in diesem neuen Kontinent unterwegs bin, in dieser digitalen Schattenwelt, und das meint auf gut Glück im Inet herumsörfe, komme ich mir schon mal vor wie Martin Venator am Luminar in 'Eumeswil’. Immer wieder hochinteressante Entdeckungen, die sich ohne große Mühen ergeben, darunter vor allem überraschende Zufallsfunde, die einfach anfallen oder besser plötzlich so reinschneien. Und diese sind mir die liebsten. Es ist schon so, daß ich konkret eher ungern suche und auch zumeist nur dann, wenn es unbedingt erforderlich ist. Lieber ist mir das Finden, das ohne nerviges Suchen auskommt. Mal folge ich einer ausgelegten Spur in eim Blogg oder ich gebe zweidrei Worte ein bzw. eine kurze Wortfolge in Gänsefüßchen, schweife über den angezeigten Seiten oder über die aufgeführten Bildchen (ja, die Bildersuche ist nicht zu verachten, und klicke auf die Seiten, die durch Bild , Grafik oder Satzfetzen vielversprechend, ja spannend erscheinen. Und schon landet man quasi in den unterschiedlichsten Köpfen, in Denkwelten von teilweise echt faszinierenden Ausmaßen. Ich muß allerdings die virtuellen Ausflüge in der Art des freien, unbeschwerten Sörfens zeitlich begrenzen, um nicht zu sehr in diese überbordende Vielfalt hineingezogen zu werden. Denn klebt man zulange am Netz, verliert sich leicht der Tag wie auch der Zusammenhang und es wird am Ende dann doch langweilig, weil alltäglich, so als würde man über Stunden ohne Unterlaß in Illustrierten blättern, die stapelweise rumliegen. Aber etwas dosiert mit dem überwältigenden, ja unüberschaubaren Angebot umgegangen, ist das sogenannte Sörfen im Netz eine sehr gute Animation und im Ergebnis eine wahre Fundgrube, die mich immer wieder staunen macht. So bin ich gestern auf einer anspruchsvollen, reichhaltigen Seite gelandet (durch Zufall natürlich), die sachkundig und mit Sympathie die brandenburgisch-preußischen Herrscher präsentiert. Bin dann gleich beim Großen Kurfürsten hängen geblieben, der mir seit jeher besonders imponierte durch seinen tatkräftigen und vorausschauenden Charakter und eigentlich meine Lieblingsgestalt in der preußischen Geschichte verkörpert. Dabei fällt ein Blick auf seine Lebensdaten und ich staune nicht schlecht. Er ist nicht allein Wassermann, was mir gleich sympathisch ist, nein, er hat auch fast am gleichen Tag wie ich Geburtstag, gerade mal ein Tag Differenz. Daher also diese vorab gespürte Sympathie. Nikt schlekt. Und dort hatte es, keine Frage, auch schöne Porträts zum Anschauen und Herunterladen; wo ich dann nicht widerstehen konnte. Aus eim der Gemälde dann eine schöne Collage gebastelt, die nun zur Ehre Friedrich Wilhelms, des Großen Kurfürsten, hier zum 390. Geburtstag am 16. Februar im Blogg erscheint.
Falls von Seiten der Leser Interesse besteht, würde ich hin und wieder von solichen Entdeckungen berichten und die Trouvaillen samt Verweis dann kurz präsentieren. Aber wenn’s niemanden groß interessiert, spar ich mir halt die Mühe und denke an den schon geflügelten Slogän von Mediamarkt.

Ein neuer Beitrag im Apho-Blogg - noch mal zum Thema ‘Gab es einst Riesen’.


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♀ 43. ζ

Was machen unsere Politiker eigentlich ?
Ja, ich weiß, sie machen den (eigenen) Leuten
ständig neue Vorschriften.
Aber die eigentlichen Miß- und Übelstände
werden von ihnen nicht angegangen
geschweige denn abgestellt.


...Musikspur: Kaoma - Lambada...



Mittwoch, 10. Februar 2010

wie Winter in Moskau



Ost-Ennerich (VSE)
9. 2. 2010, Di
Gestern gleich dreimal die vereiste Fußgängerzone passiert; nicht wegen Einkäufen, sondern weil mein Weg mich derzeit fast täglich durch die Wilmi führt. Seit fast sieben Wochen nun durchgängig von einer hohen Lage Schnee bedeckt, die inzwischen natürlich schon längst in sich zusammengefallen und nach kurzer Auftauphase die letzte Woche zu eim bizarren Eispanzer erstarrt ist. Ein Mini-Gletscher sozusagen aus schmutzigem Eisbeton, der die gesamte breite Geschäftszeile überzieht; mit Ausnahme eines (noch nicht mal durchgehenden) lächerlich schmalen geräumten Streifens auf jeder Seite, der direkt an der Gebäudefront entlangläuft . Als ich dann spät bei Minusgraden dieselbe durchschritt, diesmal nahezu ohne Gegenverkehr, es war schon nach Geschäftsschluß, mußte ich unwillkürlich denken - ja, so stell ich mir den Winter in Moskau vor: Eis und Schnee auf etliche Monate, zu Bergen aufgeschüttet und als hohe Wälle die Straßen säumend. Und siehe da, man gewöhnt sich auch daran. Aber dort sinkt das Thermometer des öfteren allerdings, wie man weiß, noch ein gutes Stückchen weiter in den Keller. Trotzdem meine ich nun in etwa eine Vorstellung davon zu haben, denn soviel Winter am Stück war in diesen Breiten schon sehr lange nicht mehr. Und er hält uns auch weiter im Griff, das Tauwetter die letzte Woche erwies sich ja doch nur als kurzatmiges Intermezzo und bis zu den befreienden Versen ‘Vom Eise befreit sind Strom und Bäche …’ dürfte es noch eine ganze Weile hin sein. Der Winter zeigt sich heuer als Elementargewalt, die dem Menschen mal eben seine Grenzen aufzeigt und so die wahren Verhältnisse aufzeigt bzw. diese zurecht rückt; nicht viel anders oder ganz so, wie es dieser rauhe, kernfeste Mann in vergangenen Jahrhunderten auch schon gehalten hat. Was heute jedoch auffällt, ist der Eindruck, als wären die Menschen, die Räumkräfte und die Institutionen allesamt kalt erwischt worden. Man hat die vereisten und teilweise extrem glatten Gehwege und Straßen zum großen Teil einfach hingenommen, ist vorsichtig aufgetreten und hat ein bißchen geschimpft, ganz so wie bei anderen Zumutungen von oben auch, und darauf vertraut, daß schon bald wieder alles wecktauen würde. Aber genau diesen Gefallen mochte der Winter uns nicht tun, abgesehen von einigen Tagen mit Tagestemperaturen über Null, die das Eis auf den Gehwegen in Matsch verwandelten. Immerhin ein Zeitfenster von mindestens zwei Tagen, an denen man ohne großen Kraftaufwand die Gehwege mit eim bißchen Kehren und eim bißchen Schippen schnee- und eisfrei bekommen hätte. Doch diese Chance wurde weiter nicht genutzt, am ehesten noch von Privatleuten, aber am wenigstens von den Geschäftsleuten, die entweder einen breiten rutschfreien Zugang zu ihren Läden nicht als besonders wichtig erachteten oder es einfach nicht geregelt bekamen, für einen solchen zu sorgen. Eine derartige Nachlässigkeit, so die einhellige Meinung bei älteren Berlinern, hätte es vor dreißig Jahren nicht gegeben. Der WELT war dieser anhaltende Mißstand letztens sogar einen Leitartikel wert und der Autor wertete das Versagen als symptomatisch für den Zustand des ganzen Landes. Gemeinsinn, Verantwortung und Pflichtgefühl sind inzwischen, wie dies Beispiel zeigt, leider Mangelware. Wie wird es also sein, wenn andere unverhoffte Ereignisse mit Sitzfleisch, die man nicht (mehr) so ganz auf der Rechnung hat, mit Macht eintreten und das Leben stark beeinträchtigen und in Mitleidenschaft ziehen, mögen sie nun durch elementare Kräfte, Wetterkapriolen und Klimaschwankugen von außen oder durch Verschärfung des gesellschaftlichen Klimas und im Gefolge sozialer Eruptionen von innen her verursacht oder angestoßen worden sein.

Wer sich für die Macht des Plötzlichen interessiert …

Für den Spruch zum Ausklang habe ich mich aus eim der letzten Beiträge bedient, da ich es schade fände, wenn dieser Satz, der im Vorspann zum Knut-Wetter stand, nicht noch einmal extra herausgestellt würde, schließlich charakterisiert er diesen Winter in Bezug auf eine gewisse Prognose äußerst knapp und auf saloppe Art.




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≤ 42. ≥

Der Winter hustet dem Klimawandel was;
(und all denen, die uns damit schrecken wollen)


…Musikspur: Der Winter - Allegro / Vivaldi (Viktoria Mullova) …



Donnerstag, 4. Februar 2010

Supersapiens Homo

Ost-Ennerich (VSE)
3. 2. 2010 Mi

Der Supersapiens Homo hält bekanntlich viel von den eigenen Geistesfähigkeiten und wähnt sich qua Geisteskraft, Wissenschaft und angemaßter Sapientia allen anderen Geschöpfen auf dem Globus für haushoch, nein turmhoch überlegen, weil er sich mittels seiner Verstandesfähigkeit (ansatzweise) einen Begriff (und manchmal sogar einen Reim) auf bzw. von den Dingen und Vorgängen um ihn herum machen kann. Sicher, soviel ist Fakt, die Tiere machen dies nicht, zumindest nicht in einer Form, die uns sprachgewohnten Menschen ohne Intuition verständlich und zugänglich wäre. Aber ob der Mensch am Ende trotz der vielen Begriffe und Vorstellungen wirklich etwas von dem begreift, was in ihm und um ihn (alles so) vor sich geht, ja ob er wirklich schnallt, worum es eigentlich geht hier auf Erden in diesem seltsamen Großen Spiel, das da Welt und Leben heißt, gleichviel ob es nun die eigene Epoche oder das eigene Leben betrifft, und was seine Aufgabe, seine Rolle und letztlich sein Weg ist oder auch sein könnte, darf angesichts der Ziellosigkeit, Zukunftsblindheit und Gedankenfaulheit, die längst zu Leitfossilien und damit zum Markenzeichen dieser Spätzeit geworden sind, ernsthaft bezweifelt werden. Der Supersapiens Homo ist inzwischen so klug, so wissend und weise geworden, daß ihm die Zukunft ziemlich egal ist. Denn das Denken in jenen Kategorien, wie es für die Alten so selbstverständlich und konstitutiv war, scheint inzwischen weitgehend abhanden gekommen zu sein; umso mehr noch das Tun und beherzte Handeln, was früher Zukunftssicherung für die nachfolgenden Generationen der Familie und des Stammes zum Inhalt hatte, gänzlich aus der Mode gekommen ist. Tiere denken ganz gewiß nicht an die Zukunft, erst recht nicht an die Erhaltung der eigenen Art, aber, und das ist der entscheidende Unterschied, sie handeln danach, als wüßten sie um so vieles besser als der wissende und intelligente Mensch der Moderne, wo denn nun ihr Platz in der Welt und was in bestimmten Phasen ihre vordringliche Aufgabe sei. Irgendetwas Essenzielles, nämlich jener Teil der Lebenskraft, der in die Zukunft gerichtet ist und dem Leben der eigenen Art Dauer verleiht, muß bei der rasanten Entwicklung, die der Westen in den letzten zweihundert Jahren genommen hat, stark in Mitleidenschaft gezogen worden sein, anders ist es nicht zu erklären, und wurde von anderen, leicht entfachten aber kurzlebigen Trieben überlagert und zurückgedrängt und dadurch entscheidend geschwächt. Und unter dieser vitalen Schwäche leiden wir, gleichviel ob nun bewußt oder ob mehr unbewußt.
Gut möglich, daß dabei die (für meine Begriffe) zu sehr ins Kraut geschossene Rationalität nicht ganz unbeteiligt war. Ein aktuelles Beispiel zu diesem ungesunden Trend im Raucherclub.


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Δ 41.

Krise ist dann,
wenn die Zukunft zum Problem wird.



...Musikspur - Gustav Holst - Neptun / Die Planeten (London Phil. Orch.)…