Samstag, 2. Juli 2011

Räuberpistolen


Ost-Ennerich (VSE)
1. 7. 2011 - Fr

Die Leute lieben ja Krimis.
Die Glotze ist voll davon; und an manchen Tagen jagt ein Krimi den nächsten, ohne das man umschalten muß. Jaja, Mord und Totschlag geht immer, die Leute gruseln sich gern ein wenig und sind neugierig, wie’s hinter manchen Gardinen und Kulissen halt so zugehen mag.

Solange es den anderen geschieht,
und das nicht selten auch noch zu recht und eben eine Mattscheibe dazwischen ist, laufen solcherart Geschichten aus dem gesellschaftlichen Fegefeuer unter der Rubrik Spannende Unterhaltung.

Nicht viel anders
hat es dereinst einmal der Herr Dummbach aus dem legendären Darmstädter Posse ‘Datterich’ zum Ausdruck gebracht inbezug auf die Derke, Nein, ich mein ja den Osterspaziergang aus Jowo Goethes Faust.

Andrer Bürger:
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen,
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.

Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.

Tja, wenn’s einen selber nicht betrift
und man auch gut Abstand hat, dann läßt sich ‘s schön erzählen und dramatisieren, denn es kitzelt einen nur, aber juckt einen nicht wirklich.

Nicht viel anders
ist es auch mit den Mißgeschicken und anderen üblen Überraschungen, wenn man erstmal voll in der Bredouille steckt. Wenn aber dann das Problem mit Geduld und Spucke bewältigt wird oder durch eine überraschende Wendung eine originelle Lösung findet, dann ist’s fürderhin eine besondere Erfahrung, die man als Geschichte oder Anekdote vor Publikum zum besten geben kann.

Das ist dann praktisch eine reziproke Situation,
wie sie Wilhelm Busch so treffend in Verse gefaßt hat. Dürfte wohl bekannt sein, also - Es macht Pläsier, wenn man’s ist , doch Verdruß, wenn man’s gewesen.

Aber noch mal einen Schritt zurück.
Die Lust auf bzw. die Leidenschaft für Krimis hat sich bei mir nun doch ziemlich in Grenzen gehalten. Sicher, da gibt es verrückte und außergewöhnliche Menschen zu besichtigen, fremde Milieus zu erkunden und auch eine gewisse Zwangsläufigkeit und Schicksalhaftigkeit zu reflektieren.

Und alles jeweils aus eim
speziellen Mikrokosmos heraus. Aber das Nämliche gilt ebenso für das große Ganze, denn auch dort laufen dieselben Prozesse.

Vielleicht haben daher die Krimis
egal welcher Provinienz mich nicht so autark anziehen können; mein Interesse richtete sich mehr auf Geschichte und zeitweilig auf das Gegenteil, auf Science-Fiction.

Der eigentliche Krimi
ist daher in meinen Augen die Geschichte; und um sie auch nur ansatzweise verstehen zu können, ist jede Menge Detektivarbeit nerforderlich.

Bleibt am Ende noch
eine Anmerkung. Das Wörtchen Krimi ist da noch ein gutes Beispiel dafür, was die Sprache so alles zu leisten vermag.

Für was steht denn nun
das Wörtchen Krimi ? Keine Frage, für Kriminalfilm oder Kriminalroman. Oder auf deutsch - für Geschichten, wo’s am Verbrechen geht, im Volksmund also um Räuberpistolen.

Um unerfreuliche Sachen,
die man für gewöhnlich ungern direkt vor der Nase hat oder erleben muß. Aber weil’s einen als unbeteiligten Zuschauer eben nur peripher-tangenziell betrifft, lernt man das Genre bald lieb zu gewinnen und beginnt es mit eim kessen Wörtchen wie Krimi alsbald zu verniedlichen und zu verlieblichen.

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Für diesmal ein schöner, alter Spruch
von Johann Beer, meim Barock-Freund; übrigens wie Martin Walser ein Gastwirtsohn … Den Spruch gibt es auch als Karte oder Schild
im LI-LA Literatur-Laden.


-p 119. q-


Hätte da auch noch etwas
in Sachen Bier bewußt genießen im Raucher-Club.

... Musikspur: Busoni - Bachtranskriptionen / Chaconne in d-moll / Maria Tipo …

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