Freitag, 9. April 2010

Askese is Käse ...

Ost-Ennerich (VSE)
Do, 8. 4. 2010

Wie gut schmeckt es doch, wenn man so richtig Appetit hat. Eine reine Binsenweisheit, mehr eigentlich nicht und dennoch eine Weisheit, da sie in (noch) wohlstandsfetten Zeiten vielerorts ziemlich in Vergessenheit geraten sein dürfte. Eine solche Erfahrung war in früheren Zeiten zumindest für das einfache Volk Allgemeingut; entweder zwangen die Umstände dazu, Mißernten und Verknappung der Lebensmittel als Ursachen oder Sitten und Gebräuche, die die Menschen zu einschränkenden Verhaltensweisen ermahnten (Fastenzeit). Überdies mußten die meisten von früh bis spät körperlich hart arbeiten; was bekanntlich auch für einen glänzenden Appetit, einen Bärenhunger eben sorgt, sofern nur reichlich genug auf dem Tisch steht. Natürlich verhilft auch die Verfeinerung der Zutaten und Zubereitung bis zu eim gewissen Grade dazu, den Gaumenreiz zu erhöhen Aber der Hunger oder genauer der Spaß beim Essen und die Freude am Genießen wird deutlich mehr durch die vorab genannten Methoden gesteigert - entweder für eine kürzere oder längere Weile fasten oder sich bei anstrengender Arbeit, wozu auch Sport gehört, zu verausgaben. Denn dann schmeckt es besser als im besten Restaurant (in welchem man zumeist für teures Geld nur auf kunstvolle Art eine Mikroportion auf dem Teller serviert bekommt in vierfünf Gängen mit zwanzigmütigen Pausen dazwischen, ohne daß man sich die Wartezeit dazwischen mit einer Zigarette am Tisch verkürzen dürfte). Das sind nun keine Gedanken aus dem hohlen Bauch heraus sondern schon mehr aus dem vollen Bauch. Klar, Ostern liegt jetzt hinter uns und da liegt es wohl nahe, daß man sich nach all den süßen Spezereien und Naschereien ein wenig den Bauch hält. Ja, ich habe mich reichlich bedient an bunten Tellern und vollen Nestern und das ganz ohne Skrupel, hatte ich doch ein gutes Gewissen. Denn für sechs Tage hatte es vorab nichts gegeben, nichts jedenfalls an fester Nahrung, Nulldiät also, nur Wasser, Tee, Kaffee und so. Diesem Fasten ging ein vor etlichen Wochen gefaßter Entschluß voraus. Keine Ärzte, keine Gurus, keine Gruppen, einfach während dieser Tage nichts essen und nicht groß darüber nachdenken. Dann geht es leicht; aber man sollte seinen Magen vorab schon ein wenig träniert haben, dh. auch mal eine Mahlzeit ausfallen lassen, nicht immer nach eim festen Schema zur Tafel schreiten, das Hungergefühl gelegentlich einfach weckdrücken können. Wenn man das für eine Weile durchhält, spürt man zunächst ein leichtes flaues Gefühl, das dann aber nicht mehr so recht wahrgenommen wird und schließlich als eine angenehme Leichtigkeit erfahren wird. Dann können auch die Leute nebenan im Café genüßlich an ihrem Schnitzel kauen … Juckt mich jetzt nicht weiter und demnächst darf ich ja wieder. Also, wo ist das Problem ?

Früher als ich noch jung und rebellisch war, dachte ich ähnlich wie der hedonistische Zeitgeist, daß Fasten bloß etwas für ausgemergelte Betbrüder und alte Betschwestern sei und reimte daher frech und flott apodiktisch ASKESE IS KÄSE und der ganze Zölibat ist völlig fad oder der Zölibart muß abgeschnitten werden usw. Aber mittlerweile, dh. mit den Jahren ist die Betrachtung in Bezug auf körperliche Bedürfnisse und Begierden sowie deren Kontrolle weitaus differenzierter geworden. Und ich meine, daß ich das mit der Askese inzwischen besser verstanden habe und den Wert und den Sinn dieser Übung durchaus zu schätzen weiß. Denn Askese zu deutsch Enthaltsamkeit ist imgrunde gar nicht so schlimm und auch nicht so verkehrt, wie es sich zunächst anhört, da es keineswegs Entsagung und Verzicht auf immer und ewig meint, sondern eigentlich nur für eine begrenzte Zeit. So zumindest würde es in meinen Augen richtig Sinn machen. Askese eben als eine praktikable Methode zu begreifen, um sich zum einen eine größere Unabhängigkeit von den eigenen Trieben und gegenüber den damit verbundenen situativen Anfechtungen zu verschaffen, also nicht jeder Verlockung und jedem Angebot alsbald auf dem Leim zu gehen, und zum anderen um durch bewußt geübte Enthaltsamkeit hernach dann wieder aus vollen Zügen genießen zu können. Beides vernünftige Ziele im übrigen und so ist mir die Fastenwoche auch gar nicht schwer gefallen. Habe zum Ende hin am letzten Abend, dies sei zum Schluß noch angemerkt, dann natürlich den Magen erst mal nur leicht angefeuert in Gestalt eines halben Teilchens, damit der Übergang in die andere Phase nicht so abrupt erfolgt. Aber dann schmeckte es am nächsten Morgen vorzüglich, wenn nicht hervorzüglich.

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ع .49. و


Die Menschen unterscheiden sich schon sehr;
insbesondere darin,
welche Eigenschaften und Fertigkeiten
sie jeweils gepflegt und aufgebaut haben
und welche sie dafür besonders vernachlässigt haben
und entsprechend geringgeschätzen.


Für morgen ist dann noch eine interessante Lesung anzuzeigen.

...Musikspur: O spectabilis viri - Hildegard von Bingen / Time of the Dawn...


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